Offener Brief an Bezirksstadtrat Krömer (CDU) zur Sitzung des Ausschusses für Facility Management am 18.11.10

Veröffentlicht am 26.11.2010 in Informationen
Marijke Höppner Neu

Sehr geehrter Herr Bezirksstadtrat Krömer,

in der Sitzung des Ausschusses für Facility Management am 18. November 2011 wurde über die MzK 0998/XVIII – Bunte Vielfalt statt braune Einfalt gesprochen und diskutiert inwiefern die Auslegung des Rechtsamtes nach einer Allgemeinen Anordnung der Berliner Verwaltung nachvollziehbar sei. In diesem Zusammenhang sprachen Sie von einer „Vergewaltigung der Rechtsordnung“. Auf einen Hinweis meinerseits, dass dies ein unsensibler und unpassender Umgang mit dem Begriff Vergewaltigung und damit den Opfern sei, stritten Sie zunächst ab, eine entsprechende Formulierung benutzt zu haben, um dann auf den ‚intellektuellen‘ Wert des Wortes ‚Vergewaltigung‘ hinzuweisen.

Ich fordere Sie auf, von dieser Formulierung Abstand zu nehmen und sich bei den Mitgliedern des Ausschusses zu entschuldigen. Dies möchte ich folgendermaßen begründen:

„Vergewaltigung“ ist ein Straftatbestand nach dem Strafgesetzbuch (StGB):
§177 Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
(1) Wer eine andere Person
1. mit Gewalt
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

Das Strafgesetzbuch beschreibt die Grundlage eines Eingriffs eines Täters in die sexuelle Integrität einer Person. Es handelt sich dabei vor allem um einen Prozess bei dem der Täter Macht über das Opfer demonstriert, um es zu unterwerfen und zu demütigen.

Die deutsche Polizeistatistik erfasste 2009 7314 Fälle von sexueller Nötigung und Vergewaltigung, belegt durch Anzeigen. Die Dunkelziffer wird auf ein Vielfaches – zwischen 2- und 100-mal höher – geschätzt. Hinzukommt, dass die Täter nicht wie häufig angenommen, vornehmlich ‚Fremde‘ sind. Meist stammen sie aus dem sozialen Umfeld, sind Freunde, Bekannte, (Ehe-)Partner, Eltern, Geschwister oder Kollegen. Die Übergriffe findet meist dort statt, wo die Opfer sich sicher fühlen sollten wie dem eigenen zu Hause oder dem Arbeitsplatz. Viele Opfer trauen sich aus Scham oder Angst um die Konsequenzen nicht, die Täter anzuzeigen, leiden aber unter den Folgen der Tat.

Sie begründeten die Einverleibung des Wortes „Vergewaltigung“ in den regulären Sprachgebrauch, in dem Sie dem Wort ‚Vergewaltigung‘ einen ‚intellektuellen‘ Wert zumaßen. Durch die Aufnahme des Wortes ‚Vergewaltigung‘ in die Rede wird der Umgang mit dem Tatbestand bagatellisiert und es werden die Schmerzen der Opfer aberkannt. Die individuellen Machtstrukturen der Einzeltat werden so zur Ausübung struktureller Macht.

Die konkrete Entwertung der Tat Vergewaltigung lag vor, als Sie eine alternativen Auslegung der Allgemeinen Anordnung (ALLA Werbung) der Berliner Verwaltung bzw. eines potenziellen Rechtsverfahren benutzten und damit eine Gleichsetzung mit der Intensität des Schmerzes der Opfer einer Vergewaltigung vornahmen.

Aus vergangenen Debatten ist mir bekannt, dass Sie durchaus Wert auf eine sensible Nutzung von ‚vorbelasteten’ Begriffen legen. Auch das Wort ‚Vergewaltigung’ ist ein Begriff mit einer spezifischen Bedeutung. Im Zusammenhang mit der Auslegung der ALLA Werbung durch das Bezirksamt (Rechtsamt) und den KritikerInnen der MzK 0998/XVIII – Bunte Vielfalt statt braune Einfalt wäre es mit Sicherheit angemessen gewesen von einer ‚Rechtsbeugung‘ zu sprechen, um eine niveauvolle Diskussion zu führen. Dabei handelt es sich um einen feststehenden Rechtsbegriff. Die Verwendung des ebenfalls feststehenden Rechtsbegriffs Vergewaltigung ist eine Verhöhnung der Opfer, die oftmals jahrenlang unter den psychischen und physischen Folgen der Tat leiden.

Ich möchte diesen Brief dazu nutzen zu verdeutlichen, dass sich die Frage, ob es eine Diskussion, ein Thema oder einen Vergleichsfall geben kann, der rechtfertigt, dass eine individuelle Erfahrung einer Vergewaltigung auf einen anderen Sachverhalt anwenden lässt, nicht stellt. Dem gegenüber steht IMMER die Anerkennung des Einzelschicksals des Opfers.

Mit freundlichen Grüßen

Marijke Höppner

Hintergrund:
Mündliche Anfrage der Bezirksverordneten Marijke Höppner (SPD) zur Bezirksverordnetenversammlung am 1. September 2010 über die Demonstration am 17.7.2010 vor dem Rathaus Schöneberg:

1.) Warum wurde das bezirkliche Plakat "Bunte Vielfalt statt brauner Einfalt - Tempelhof-Schöneberg gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" (Drs 0998/XVIII Konsensbeschluss vom 18.03.2009) oder das Transparent des Bündnisses nicht am Rathaus aufgehängt, sondern ein anderes Plakat?

Antwort des Bezirksstadtrats Bernd Krömer (CDU) in der Mitteilung zur Kenntnisnahme: MzK 0998/XVIII

 
 

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