Prostitution im Kurfürstenkiez eindämmen – Informationskampagne starten

Veröffentlicht am 07.10.2010 in Service
Elke Ahlhoff

Der Beschluss der BVV Tempelhof-Schöneberg zur Prostitution im Kurfürstenkiez, der mit den Stimmen unserer Fraktion und denen der CDU am vergangenen Mittwoch gefasst wurde, hat ein enormes Echo in den Medien erfahren und wird auch in unserer Partei zu Recht kontrovers diskutiert.
Um für die Debatte einen einheitlichen Informationsstand zu ermöglichen, möchte die Fraktion hier in Kürze eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der Beschlussempfehlung wiedergeben und die Beweggründe darstellen.

Die Beschlussempfehlung hat den Titel: Prostitution im Kurfürstenkiez eindämmen – Informationskampagne starten (Drucks. Nr. 1450/XVIII) und geht auf einen Ursprungsantrag der CDU zurück. Folgende Maßnahmen soll das Bezirksamt prüfen:
  • 1. Entwicklung einer Kampagne zur Information der Kunden von Prostituierten zum Thema Gesundheitsvorsorge und Prostitution und ihre Folgewirkungen für den Kiez.
  • 2. Anregen einer Selbstverpflichtungsaktion von prominenten Männern, in der diese sich verpflichten, kein Geld für den Kauf sexueller Dienstleistungen auszugeben.
  • 3. Veranstalten einer Ausstellung zum Thema Prostitution z.B. die Ausstellung „Prostitution – Lebenswelten und Mythen“.
  • 4. Rechtliche Überprüfung, ob es möglich ist, Kfz-Kennzeichen und/oder Bilder von Kunden sexueller Dienstleistungen im Kurfürstenkiez zu erfassen und auf einer öffentlichen Internetplattform für alle Interessierten zur Verfügung zu stellen.
  • 5. Darüber hinaus soll die Polizei gebeten werden, verstärkt Kontrollen auf Alkohol am Steuer im Bereich rund um die Kurfürstenstraße durchzuführen.
Zum Hintergrund: Prostitution im Bereich rund um die Potsdamer- und Kurfürstenstraße gibt es seit Jahrzehnten. Das Gebiet ist mit dem größten Straßenprostitutionsbereich in Berlin belastet und bei Freiern überregional bekannt. In der Froben- und Kurfürstenstraße haben überwiegend drogenabhängige Frauen gearbeitet, um ihren Konsumbedarf zu decken. Mit der EU Osterweiterung erhöhte sich die Anzahl der Prostituierten schlagartig. Das 2005 eröffnete Sexkaufhaus „LSD“ an der Potsdamer-, Ecke Kurfürstenstraße rückte dabei ins Zentrum der Anbahnungsgespräche der Prostituierten. Die Prostitution weitete sich insgesamt aus und nahm auch in der Bülowstraße, Potsdamer Straße und Lützowstraße zu. Aus dem Stadtteil gibt es seit Jahren Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohnern über die Belästigung durch Prostitution. Diese sind auf die sehr aggressive Werbung osteuropäischer Prostituierter, sowie auf die Belastung durch den Vollzug der Prostitution im öffentlichen Wohnumfeld (Parkbänke, Autos, Tischtennisplattem etc.) zurückzuführen. Die Frauen aus dem osteuropäischen Raum (bulgarische, ungarische, rumänische Frauen) sind meist in einer psychisch und körperlich schlechten Verfassung und unter einem enormen Druck. Sie verfügen weder über ausreichende Sprachkenntnisse, noch kann ein großer Teil von ihnen schreiben oder lesen. Manche von ihnen haben bereits Prostitutionserfahrung aus ihrem Herkunftsland und kommen für einige Zeit nach Berlin, 1um die Versorgung ihrer Kinder oder ganzer Familien sicher zu stellen. Die Lage dieser Frauen wird von manchen Kunden schamlos ausgenutzt. Mit dem in Berlin üblichen „Verhaltenskodex“ der zurückhaltenden Werbung bei der Straßenprostitution sind die Frauen nicht vertraut. Entsprechend aggressiv verläuft die Werbung. Zurückhaltung ist aber eine Voraussetzung, um ein akzeptables nebeneinander mit den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie den Gewerbetreibenden zu ermöglichen. Hier konnten spezielle Beratungen durch Streetworkerinnen zur Entschärfung der Situation beitragen. Hier eine kurze Darstellung, wie Anwohnerinnen und Anwohner die Situation vor Ort beschreiben. Angesprochen oder sogar angefasst werden Männer, die sich im Kiez bewegen und dies zu jeder Tageszeit. Egal, ob es Männer sind, die gerade ihre Kinder zur Kindertagesstätte bringen oder Angestellte bzw. Auszubildende, die zur Arbeit gehen. Auch wenn Männer in Begleitung von Frauen sind, ist kein Einhalten geboten. Bewohnerinnen wiederum sind der ständigen Belästigung durch Freier ausgesetzt. Die Prostituierten stehen vor Geschäften, Wohnhäusern, auch vor Kindertagesstätten und Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Bitten Abstand zu halten haben leider nicht den erwünschten dauerhaften Erfolg. Dienstleistungen werden direkt im Auto der Freier am Straßenrand erbracht, in Hausfluren, Höfen, Spielplätzen und auch auf Terrassen von Anwohnerinnen und Anwohnern. Unsere Mitglieder im Bezirksamt haben zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Situation erträglicher zu gestalten. Wiederholt wurden im Präventionsrat Schöneberger Norden und bei anderen Veranstaltungen die Anliegen der Bewohnerschaft erörtert und mit ihnen beraten, wie die Situation erträglicher gestaltet werden kann. In einigen Straßen sind Durchfahrverbote in der Zeit von 22 – 4 Uhr eingerichtet worden. Allerdings mit dem Hinweis „Anlieger frei“ - daher ist dieses kaum wirksam. Andere Straßenverkehrsbehördliche Anordnungen hatten ebenso zum Ziel den Freierbesuchsverkehr einzuschränken. Ein BVG Wartehäuschen neben einer Kita wurde abgebaut, Tischtennisplatten von Spielplätzen entfernt, ein Spielplatz ist abgeschlossen und wird über einen Schlüsseldienst für die Kinder zugänglich gemacht. Gehölz wurden stark zurück geschnitten oder entfernt, dunkle Ecken besser beleuchtet. Der Bezirksbürgermeister hat den Versuch unternommen eine Sperrzeit vor Kindertagestätten, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen zu erwirken. Diese würde die Straßenprostitution erst ab 22 Uhr an diesen Orten zulässig machen. Die zuständigen Senatsstellen lehnten eine Sperrzeit aber ab. Seit Jahren arbeiten verschiedene Träger vor Ort eng zusammen, um die Frauen zu beraten und um Unterstützungsangebote für sie bereit zu halten. Träger sind: Olga, Hydra e.V., Fixpunkt e.V. KUB e. V., Treberhilfe Berlin gGmbH, Neustart e.V. und das Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg. Mit Unterstützung der beiden Quartiersmanagementverfahren (Tiergarten Süd/Schöneberger Norden) wurde mit der Finanzierung einer speziellen Straßensozialarbeit begonnen. Sprachmittlerinnen suchen die Prostituierten auf, um sie zu beraten, auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen und um auf ihr Verhalten einzuwirken. Inzwischen hat diese Sozialarbeit durch die Initiative unserer Fraktion eine eigene Finanzierung und wird durch Olga koordiniert. Dieses Hilfenetzwerk zeigt Wirkung. Die Arbeit wird allerdings durch den relativ schnellen Wechsel der Prostituierten erheblich erschwert und muss immer wieder von neuem beginnen. Hier sind nicht alle Versuche benannt, die unternommen worden sind, um eine Stabilisierung der Situation zu erreichen. Die Beschwerden der Anwohnerinnen und Anwohner sind massiv. Es droht ein weiterer Wegzug von Familien aus diesem Gebiet und infolgedessen eine soziale Entmischung. Über das Quartiersmanagement und die Wirtschaftsförderung sind in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen worden, eine positive Aufwertung und Weiterentwicklung des Gebiets zu erreichen. Die Fraktion nimmt die Beschwerden der Anwohnerinnen und Anwohner ernst und will diese mit den Problemen nicht allein lassen. Wir halten es für eine richtige und wichtige Entscheidung die Prostitution zu legalisieren und dadurch die Frauen aus einem rechtsfreien Raum zu befreien! Wir wussten zu jeder Zeit, dass Punkt 4 der Beschlussempfehlung datenschutzrechtlich nicht umsetzbar ist. Es ist und war nie das Ansinnen der Fraktion, einen Versuch zu starten den Datenschutz auszuhöhlen. Allerdings sehen wir die Notwendigkeit, die Diskussion um einen Aspekt zu erweitern. Bei jeder Dienstleistung geht es auch immer um die Nachfrage. Daher ist es wichtig zu betrachten, wie sich die Kunden verhalten. In diesem speziellen Fall, unter welchen Umständen Freier ohne Rücksicht auf die Frauen und die Umgebung ihre Bedürfnisse ausleben. Die Fraktion hat mit dieser Beschlussempfehlung bewusst provoziert. Die Medien haben stark darauf reagiert. Leider ist bisher in der öffentlichen Diskussion die Frage zu kurz gekommen, welche Erwartungen an das Verhalten der Kunden von Prostitution gestellt werden dürfen. Es wird in dem Kurfürstenkiez keine Besserung der Situation erreicht werden können, ohne dass die Freier ein Mindestmaß an Verantwortung übernehmen. Die Anonymität und damit das hohe Gut des Datenschutzes sollen gewahrt bleiben! Aber wäre eine Diskussion überhaupt in Gang gekommen, wenn wir beschlossen hätten, dass die Kunden sich zu ihrer Verantwortung bekennen sollen? Es ist zu diskutieren, ob die Fraktion den richtigen Weg gewählt hat. Auch, welche Ideen Sie mit einbringen können, um die Situation im Kurfürstenkiez zu entschärfen. Gerne nehmen wir Ihre Anregungen auf, die hilfreich in der Sache sein können. Mit freundlichen Grüßen SPD-Fraktion Tempelhof-Schöneberg Elke Ahlhoff (Fraktionsvorsitzende) Hier können sie den Brief als PDF öffnen
 
 

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